NULLSTROMELIMINIERUNG IN EINEM ÜBERSTROMZEIT­SCHUTZGERÄT

Aufgrund der umfangreichen Funktionen und der hohen Flexibilität eines multifunktionalen Überstromzeitschutzgerätes können in weiten Bereichen der Energieversorgung unterschiedlichste Schutz- und Steuerungsaufgaben erfüllt werden. Der Einsatz ist unabhängig von anwenderspezifischen Anforderungen in jedem Schaltfeld möglich. Die implementierten Funktionen ermöglichen den Schutz von: Kabel- und Freileitungen, Transformatoren, Motoren, Sternpunktbildnern.

von Grzegorz Richert Datum 12.06.2018

UMZ Schutz

EINLEITUNG

Ein Überstromzeitschutz wird im Rahmen eines Schutzkonzeptes oft als Backup-Kurzschlussschutz eines Transformators eingesetzt.

Im Rahmen einer Nullstromeliminierung gibt es die Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen innen- und außenliegenden Fehlern. Dafür wird am Transformator mit geerdetem Sternpunkt oder Sternpunktbildner eine zusätzliche Entfernung des Nullstroms aus den Leiterströmen der UMZ-Stufen angewendet.

Diese Funktionalität konnte in der Vergangenheit nur mit einer sehr aufwendigen und kostenintensiven Hardwarelösung unter Einsatz einer geeigneten Filterschaltung mit Zusatzwandler realisiert werden.

Von Sprecher Automation wurde die Nullstromeliminierung bereits 2010 als eine reine Softwarelösung in seinen Überstromzeitschutzgeräten (SPRECON-E-P DS6) implementiert. Im Folgenden wird auf die Umsetzung der Funktion eingegangen und werden deren Vorteile anhand eines Applikationsbeispiels erläutert.

Abb. 1 Applikationsbeispiel: Transformator YNd5 mit einer NOSPE

UMSETZUNG DER NULLSTROMELIMINIERUNG

Um eine Nullstromeliminierung durchführen zu können, muss der Transformator-Sternpunktstrom IE_Stern gemessen werden - Abb. 1.
Bei einer aktivierten Nullstromeliminierung im Rahmen einer UMZ-Stufe – Abb. 2 – wird der über den IN-Gerätewandler gemessene Sternpunktstrom IE_Stern von den Leiterströmen (IL1, IL2, IL3) zu jeweils ⅓ subtrahiert. 

Abb. 2 Einstellungsparameter der Korrektur der Leiterströme „mit I 0 gemessen“ unter COMM-3 (SPRECON ENGINEERING CENTER)

Eine Amplitudenanpassung des Sternpunktstroms an die Leiterströme wird auf Basis der Wandlerdaten durchgeführt — Gl. 1

Im Rahmen der Stördatenaufzeichnung werden neben den Momentanwerten der Leiterströme (IL1, IL2, IL3) auch die Momentanwerte der nullstromkorrigierten Leiterströme (iL1-i0, iL2-i0, iL3-i0) dargestellt, um den direkten Vergleich zwischen den korrigierten und nicht korrigierten Leiterströmen zu ermöglichen.

VORTEILE DER NULLSTROMELIMINIERUNG

Beim Einsatz eines UMZ-Schutzes mit aktivierter Nullstromeliminierung auf der geerdeten Seite eines Transformators ergeben sich die folgenden Vorteile:

  • Sicheres Ansprechen bei mehrpoligen Fehlern auf der US-Seite des Transformators.
  • Sichere Unterscheidung zwischen einem innen und außen liegenden 1-poligen Fehler auf der OS-Seite des Transformators.
  • Erhöhung der Ansprechsicherheit und Phasenselektivität des UMZ-Schutzes bei einem innen liegenden 1-poligen Fehler.

Bei einem außerhalb des Schutzbereiches liegenden Erdkurzschluss-Fehlerort F1 – Abb. 1 / Abb. 3 – fließt der im Sternpunkt gemessene Strom jeweils als Nullstrom (I0) über die Leiterwandler zum Fehlerort zurück. Die Leiterströme (ohne Lastströme) werden durch die Korrektur mit dem gemessenen Nullstrom annähernd null. Eine unerwünschte Anregung des Überstromzeitschutzes kann damit vermieden werden.

Abb. 3 Ein außen liegender 1-poliger Fehler auf der OS-Seite eines YNd5-NOS-PE-Transformators

Bei einem innen liegenden Erdkurzschluss – Fehlerort F2, siehe Abb. 1 / Abb. 4 – dreht sich dagegen die gemessene Stromrichtung im fehlerhaften Leiter (aufgrund der Speisung des Fehlers) in Bezug auf den Sternpunktstrom.

Abb. 4 Ein innen liegender 1-poliger Fehler auf der OS-Seite eines YNd5-NOS-PE-Transformators

Eine Nullstromkorrektur mit -(- IE_Stern) führt im Idealfall zur Eliminierung der „Ausgleichsvorgänge“ in den nicht fehlerbetroffenen Leitern.  Bei dem fehlerbehafteten Leiter wird annähernd der tatsächlich fließende Strom zur Anregung führen können — Gl. 2

Auf diese Weise kann sowohl die Ansprechsicherheit erhöht als auch die Phasenselektivität der Anregung des UMZ-Schutzes erhalten werden.

Im Fall eines mehrpoligen Fehlers auf der US-Seite des Transformators – Fehlerort 3, siehe Abb. 1 / Abb. 5 – werden die Leiterströme auf der OS-Seite des Transformators unter Berücksichtigung des Übersetzungsverhältnisses korrekt gemessen (Nullstromeliminierung mit I0 = 0).

Die Anregung des UMZ-Schutzes kann gesichert werden.

Abb. 5 Ein mehrpoliger Fehler auf der US-Seite eines YNd5-NOS-PE-Transformators

Die Nullstromeliminierung kann durch die folgenden Faktoren beeinflusst werden:

  • Wandlerfehler (Betrag, Winkel) => für die Messung des Nullstromes wird ein Wandler der Klasse 5P empfohlen.
  • Wandlersättigung beim Nullstromwandler (Überbürdungsgefahr wegen des dreifachen Stromes).
  • Höhere Harmonische können zur Über-/Unterfunktion führen, wenn das Messverfahren auf Effektivwerte beruht => die Messung der 1. Harmonischen wird empfohlen.

Die Nullstromeliminierung wird nur in einem Überstromzeitschutz implementiert.
Bei einem Distanzschutz in einem NOSPE-Netz bringt sie keine Vorteile. Durch das Bauch’sche Paradoxon kann durch eine Überstromanregung eine falsche Fehlerschleife ausgewählt werden. In diesem Fall ist unbedingt die Unterimpedanzanregung zu verwenden.

ZUSAMMENFASSUNG

Durch die numerische Integration der optionalen Korrektur der Leiterströme mit dem gemessenen Nullstrom in einem multifunktionalen Überstromzeitschutzgerät (SPRECON-E-P DS6, Sprecher Automation) kann auf die bisherige kostenintensive und sehr aufwendige Hardwarelösung und deren technische Nachteile verzichtet werden.

Bei einer Applikation eines Überstromzeitschutzes an der geerdeten Transformatorseite kann seine sichere und phasenselektive Anregung durch Verwendung der Nullstromeliminierung deutlich verbessert werden. 

ÜBERSTROMZEITSCHUTZ - Ausgabe 02/18

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