EINFACH GEPRÜFT

Überstromzeitschutz-Anwendungen beschränken sich vor allem in Verbraucherabgängen und -anlagen auf meist 2-stufige Ausführungen. Solche Schutzeinrichtungen können mit minimalem Verdrahtungs- und vor allem Prüfaufwand in kurzer Zeit geprüft werden.

von Klaus Spitzenberg Datum 12.06.2018

UMZ Schutz

Beim Prüfen findet man bei den im Vorspann erwähnten Anlagentypen häufig in jedem Feld variierende Einstellungen vor. Eine aufwendige Vorprogrammierung von automatisch ablaufenden Prüfmodulen erscheint manchmal in Relation zum Aufwand einer manuellen Prüfung als zu zeitaufwendig. Auch erfordert die aufwendigere Handhabung der Module eine gewisse Wiederholungsrate, die für deren erfolgreiches Abspielen notwendig ist. Für viele Betriebe stellt sich diese Routine jedoch nicht ein und es erweisen sich manuelle Prüfungen als effizienter.

Anhand der in Abb. 1 gezeigten 2-stufigen Überstromschutz-Anwendung wird im Folgenden der Ablauf einer typischen Prüfroutine gezeigt. Die Einstellwerte zeigen Auslösezeiten, wie sie in den Artikeln „Einstellregeln“  und „Einsatz von Hochstromstufen“ beschrieben werden.

Eine kurze Betrachtung der Einstellwerte durch den Prüfer ist immer von Vorteil, sozusagen eine Plausibilitätsprüfung: Der Anregewert der ersten Überstromzeitstufe liegt knapp über dem Nennstrom und die Auslösezeit von 0,5 s verrät die Staffelung mit einer vorgelagerten Schutzeinrichtung. Der Stromanregewert der zweiten, der Hochstromstufe, könnte für die Schnellauslösung bei Nahfehlern an einer langen Leitung dienen. Sollte dieser Wert bei einem Transformatorabgang eingesetzt werden, ist unbedingt die Einschaltstrom- oder auch Inrush-Erkennung zu aktivieren und die Stufe damit beim Zuschalten des Transformators zu blockieren. Wenn die Kurzschluss- und Stromwandlerverhältnisse es ermöglichen, ist allerdings ein höherer Anregewert zu empfehlen.

Abb. 1 Strom-Zeit-Kennlinie und beispielhafte Schutzwerte

PRINZIPIELLE FUNKTIONSWEISE

Der Stromwert wird erhöht, bis die Anregung erfolgt, der vorgesehene Anregekontakt oder, wenn dieser nicht vorhanden ist, der Auslösekontakt schließt. Danach wird der Strom bis zum Rückfall verringert – Abb. 2.

Abb. 2 Stromverlauf und Relaisrückmeldung einer Anregeprüfung

Die maximale Stromänderungsrate dI/dt ist abhängig von der „Reaktionszeit“ des zur Absteuerung verwendeten Relaiskontakts. Bei Verwendung einer Anregemeldung ist die Anrege zeit der Schutzstufe und Schließzeit des Relaiskontaktes zu berücksichtigen. Das Auskommando beinhaltet zusätzlich: beim Anregen die parametrierte Auslösezeit und beim Rückfallen die minimale Auskommandodauer.

Unter Berücksichtigung der Toleranzen für Strom und Zeit gilt für die Bewertung OK/gut der gemessenen Auslösezeit t. Abb. 3 zeigt anschaulich die Toleranzbereiche der beiden Überstromzeitstufen, die in den Handbüchern der Schutzgerätehersteller zu finden sind.

Um keine abweichenden Auslösezeitwerte beim Prüfen zu erhalten, ist das Platzieren von Prüfschüssen im Stromtoleranzband zu vermeiden. Versuche mit Prüfwerten im Toleranzbereich werden stets andere und abweichende Ergebnisse bringen.

Abb. 3 Toleranzbänder für Strom und Zeit

TESTAUFBAU

Für die vollständige Prüfung von Überstromzeitschutzstufen ist die Verdrahtung der Strompfade und der Anrege-/Auslösekontakte ausreichend. Für Prüfungen von gerichteten Überstromstufen sowie spannungs- und frequenzabhängigen Stufen werden zusätzlich die in Abb. 4 dargestellten Spannungspfade benötigt. Das im Beispiel eingesetzte Sverker 900 von MEGGER zeigt für eine einfache und schnelle Verdrahtung am Display ein Anschlussschema für Strom und Spannung.

Abb. 4 Anschlussplan und Display-Anzeigen für U- und I-Verdrahtung

ANREGEPRÜFUNG

Der in Abb. 2 ersichtliche Stromverlauf für die Prüfung eines Anregesignals kann mit Hilfe eines Rampenmoduls generiert werden. Der Stromverlauf wird real allerdings anders aussehen und eine Treppenform aufweisen. Um eine solche Rampenprüfung durchzuführen, sind zuvor der Start-, der Umkehr- und der Endwert des Prüfstromes im Rampenmodul zu definieren. Da die Schutzeinstellwerte zwischen den Abgängen einer Anlage variieren, stellt die Vorarbeit des Prüfmodul-Programmierens auch einen Zeitaufwand dar und ist im Gesamtaufwand mit zu berücksichtigen.

Eine einfache und rasche Methode ohne Vorarbeit stellt der manuelle Ablauf in Abb. 5 dar. Durch Aktivieren der Stromausgänge, Hochdrehen des Prüfstromes bis zum Anregewert und anschließendes Zurückregeln bis zum Rückfallen des Kontakts werden die beiden Prüfpunkte in der Ergebnisansicht – siehe Abb. 6 – eingetragen und wird das automatische Rückfallverhältnis errechnet. Durch Abspeichern lässt sich die erfolgte Prüfung auf einem USB-Stick ablegen. 

Abb. 5 Manueller Ablauf einer Anregeprüfung

 

Abb. 6 Ergebnis einer Anregeprüfung

AUSLÖSEPRÜFUNG

Bei der Auslöseprüfung können ebenfalls Prüfmodule, die vorprogrammierte Stromwerte anfahren, eingesetzt werden. Dieser Aufwand kommt dann zu den zuvor bereits aufgezeigten Vorarbeiten hinzu.

Unabhängig davon, ob automatisiert oder manuell geprüft wird, können mit dem ersten Prüfpunkt, der auch als Schuss bezeichnet wird, zwei Prüfungen in einem absolviert werden. Für die erste, bereits anregegeprüfte Überstromzeitstufe ist nur mehr die korrekte Auslösezeit nachzuweisen. Für die zweite gilt es zusätzlich zur Auslösezeit auch den Anregewert zu ermitteln.

Aus diesem Grund kann der erste Schuss knapp unterhalb des Anregewertes der zweiten Stufe erfolgen. Die Toleranzen, wie in Abb. 3 gezeigt, sind dabei zu berücksichtigen. Im Beispiel von Abb. 7 sind dies 3,80 A. Die ermittelte Auslösezeit von 0,499 s entspricht den 0,5 s aus den Vorgaben in Abb. 1. Eine Anmerkung: Da das Prüfergebnis exakt am Einstellwert liegt, kann von einer integrierten Anregezeit-Kompensation im Schutzgerät ausgegangen werden. Der Algorithmus zieht die Zeit vom Fehlereintritt bis zum tatsächlichen Anregen von der erst danach gestarteten Auslösezeitmessung ab. Der zweite Schuss wird am oberen Ende des Anregewert-Toleranzbandes der zweiten Stufe mit 4,20 A gewählt. Das Ergebnis zeigt eine korrekte Stromanregeschwelle und durch Berücksichtigung der Stromtoleranz auch eine korrekte Auslösezeit von 0,055 s. Wird der Prüfstrom innerhalb der Toleranz gewählt, ist eine Erhöhung der Auslösezeit zu erwarten, die vor allem bei so geringen Zeitwerten das Ergebnis deutlich verfälschen kann.

UNIVERSELL EINSETZBARE PRÜFUNG

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Ablauf der hier gezeigten Prüfroutine für viele Schutzanwendungen wie z. B. Spannungs-, Frequenz- oder Asymmetriestufen anwendbar ist. Immer wird die erste Stufe mittels Rampen-Anregeprüfung und weitere Stufen durch Schussprüfung mit höheren bzw. niedrigeren Prüfwerten unter-/oberhalb des Anregewertes geprüft.

Abb. 7 Ergebnis einer Auslöseprüfung der > und >> Stufe

ZUSAMMENFASSUNG

Das Testen von Überstromzeitschutzeinrichtungen stellt eine Routineprüfung dar, die aufgrund der Vielzahl von Transformator- und einfachen Einspeise- und Kabelabgangsschutzanwendungen am häufigsten zum Einsatz kommt. Gerade hier ist aus Zeit- und somit Kostengründen eine einfache Handhabung und rasche Bedienung der Prüfgeräte erforderlich. Das Prüfgerät Sverker 900 von Megger erfüllt diese und die in der nächsten NETZSCHUTZ-Ausgabe zum Thema „Stromwandler“ gezeigten Anforderungen.

 

 

ÜBERSTROMZEITSCHUTZ - Ausgabe 02/18

Hier können Sie die 2.Ausgabe 2018 zum Thema ÜBERSTROMZEITSCHUTZ als PDF herunterladen und einen Gesamteindruck vom NETZSCHUTZ Magazin bekommen.

weiterlesen

EINFACHER SAMMELSCHIENENSCHUTZ

Um in Mittelspannungsverteilungen mit nachgeschalteten Unterverteilungen nicht die kritische 1,0-s-Fehlerdauer zu erreichen, wird das Prinzip der „Rückwärtigen Verriegelung“ eingesetzt. Ob klassisch...

weiterlesen