STANDARD-ANWENDUNG MIT UPGRADE

In der nachfolgenden klassisch-redundanten Versorgungssituation einer Mittelspannungsanlage kann ein Lichtbogenschutz mit Standardkomponenten und geringer Typenvielfalt ausgeführt werden. Fehlauslösungen werden durch die Kombination von gleichzeitiger Licht- und Überstromanregung ausgeschlossen. Eine Leitungsschalterversager-Funktion ist ebenfalls integriert.

von Samuel Dahl Datum 20.03.2018

Spezialschutz

Die Auswirkungen von Störlichtbögen wurden in den letzten zehn Jahren besonders intensiv analysiert und die entsprechenden Vorschriften und technischen Empfehlungen mit Gegenmaßnahmen ergänzt. In der Errichtungsnorm für Hochspannungsanlagen EN 61936 wird u. a. gefordert: „Elektrische Anlagen sind so zu gestalten und zu errichten, dass das Personal beim Bedienen so weit wie praktisch möglich gegen Störlichtbögen geschützt ist.“

Da durch die drastische Reduktion der Fehlereinwirkzeiten der Zerstörungsgrad und somit die Ausfallzeit reduziert wird, ist bei der Forderung nach einer hohen Versorgungssicherheit mit gleichzeitig hoher Verfügbarkeit eine Lichtbogendetektions-Einrichtung die einzige Wahl. In Nordamerika führen standardisierte Risikoanalysen für Störlichtbögen zum Einsatz solcher Systeme.

EIGENSCHAFTEN VON STÖRLICHTBÖGEN

Lichtbögen setzen große Mengen an Strahlungswärme, Licht und Druckwellen frei. Die Temperatur im Inneren eines Lichtbogens kann bis 20.000 °C erreichen. Die durch den plötzlichen Temperaturanstieg stark expandierende Umgebungsluft führt zu einer entsprechend hohen Druckwelle. Diese wiederum verursacht im Extremfall das Öffnen von Schaltanlagentüren. Zusätzlich werden toxische Gase und Splitter von verbrennenden oder mechanisch zerstörten Teilen freigesetzt.

Sollte Bedienpersonal vor dem  betroffenen Feld sein, ist dieses den aufgezählten Extrembedingungen ausgesetzt.

Die Ursache für Störlichtbögen sind meist menschliche Fehler oder alternde Komponenten. Typische Betriebsmittelfehler sind Kabelendverschlüsse oder Leistungsschalter-Ausfahrmechanismen. In manchen Regionen sind auch Nagetiere und Schlangen die Auslöser.

Viele Störlichtbögen sind zu Beginn einphasige Fehler gegen Erde, die sich zu dreiphasigen Fehlern ausweiten. Dies ist ein weiterer Grund für eine rasche Erkennung und Fehlerisolation bzw. -löschung.

Lichtbogenfehlerströme sind im Gegensatz zu direkt-kontaktierten Fehlerströmen wesentlich kleiner. Bei Niederspannungsanwendungen kann dieser um mehr als die Hälfte geringer sein. Dieser reduzierte Fehlerstrom birgt bei konventionellen Schutzeinstellungen das Risiko von hohen Abschaltzeiten (Anmerkung: Vergleich Überlastschutz-Kurzschlussschutz) und erhöhter Zerstörungsenergie. 

SCHUTZ DURCH LICHTDETEKTION

Der Hauptvorteil einer auf Lichtdetektion basierenden Schutzeinrichtung liegt in der schnellen Auslösezeit und hohen Empfindlichkeit.

Damit diese Empfindlichkeit nicht zu Fehlauslösungen führt, gibt es die Möglichkeit, den Fehlerstrom als zweites Auslösekriterium hinzuzufügen (UND-Schaltung). Auch dieser kann wie zuvor beschrieben auf einen niedrigen Wert, z. B. 1,5-facher Nennstrom, eingestellt werden. Dies gilt ebenso für den Erdfehlerstrom.

Da der Schutzbereich eindeutig auf interne Fehler begrenzt ist, sind keine Selektivitäten oder Staffelungen zu berücksichtigen und ist keine Auslöseverzögerung erforderlich.

D. h., die Lichtdetektion kombiniert mit einer schnellen Stromerfassung löst geräteintern in 1–2 ms aus. Die tatsächliche Fehlerklärungszeit hängt maßgebend vom Primärschaltelement ab (siehe auch den Artikel „Ursachen, Auswirkungen und Maßnahmen“). Durch den Einsatz von schnellschaltenden Elementen kann die Fehlerdauer im Idealfall auf 10 ms reduziert werden. Beim Einsatz von Leistungsschaltern liegt der Wert bei 70–80 ms.

Die Vorteile dieser Lichtbogendetektion sind:

  • die im Vergleich zu einem Sammelschienenschutzsystem wesentlich geringeren Kosten, 
  • der beim Sammelschienenschutz aufgrund der Stromwandlerplatzierung manchmal nicht erfasste, jedoch kritische Bereich des Kabelanschlusses wird geschützt, 
  • die Installationsmöglichkeit in Mittel- und Niederspannungsanlagen, 
  • die Nachrüstbarkeit in bestehenden Anlagen. 

ELEMENTE DER DETEKTION

Der Lichtimpuls des Lichtbogens wird detektiert durch

  • Punktsensoren mit Fotodioden-Technologie – siehe Abb. 1 – oder 
  • Lichtwellenleiter-Sensoren – siehe Abb. 2

Abb. 1 Punktsensor mit schwenkbarer Fotodiode

Abb. 2 Lichtwellenleitersensor

Im unten angeführten Anwendungsbeispiel werden Punktsensoren eingesetzt. Diese sind für Bereiche bis zu 125 °C Umgebungstemperatur, z. B. für Windgeneratoranlagen, ausgelegt. Die Weiterentwicklung herkömmlicher Punktsensoren durch Arcteq bietet neue Eigenschaften:

  • Ausrichtung der Fotodiode auf einen bestimmten Bereich, 
  • Hintereinanderschalten mehrerer Punktsensoren (bisher nur sternförmige Anordnung),
  • Selbstüberwachungsfunktion der Fotodiode durch integrierte Lichtpuls-Quelle.

Die Lichtsensoren werden an separate Auswertegeräte mit oder ohne Stromeingänge angeschlossen. Alle weiteren Details zu den Auswertegeräten folgen im Anwendungsbeispiel.

STANDARD-ANWENDUNG

Die universelle Einsetzbarkeit eines Lichtbogenschutzsystems in einer klassischen Mittelspannungsversorgungssituation mit zwei Einspeisungen und einer Kupplung zeigt Abb. 3.

Abb. 3 Übersicht einer Standard-Lichtbogenschutz-Anwendung

Es werden alle Schotträume einer luftisolierten Anlage mit Punktsensoren ausgerüstet und diese auf ein Auswertegerät pro Feld angeschlossen.

In den Abgangsfeldern werden Auswertegeräte ohne Stromeingänge eingebaut. Hier erfolgt u. a. die Auswertung und Verknüpfung der Lichtsignale des eigenen Feldes mit Stromsignalen der Einspeisung:

  • die Auswertung der angeschlossenen Lichtsensoren, 
  • das Absetzen der Lichtsignale (L>) auf Binärausgang 2 (BO2), 
  • das Empfangen auf Binäreingang 1 (BI1) und Verknüpfen des Stromanregesignals vom Einspeise-Auswertegerät der Sammelschienenhälfte (I>) mit dem internen Lichtsignal, 
  • das Empfangen und Exekutieren einer Auslösemeldung vom Einspeise-Auswertegerät der Sammelschienenhälfte (Master-Trip – MT) auf Binäreingang 2 (BI2), 
  • das Absetzen einer Auslösemeldung an den eigenen Leistungsschalter auf Auslösekontakt T1. 
  • In zwei Feldern werden zusätzlich die Schotträume des Kupplungsfeldes überwacht.

In den Einspeisefeldern werden Auswertegeräte mit Stromeingängen eingebaut. Hier erfolgt die zentrale Verschaltung aller Licht- und Stromsignale inklusive Leistungsschalterversagerschutz:

  • die Auswertung der angeschlossenen Lichtsensoren in einem erweiterten Schutzbereich,
  • die UND-Verknüpfung der eigenen und der über Binäreingang 2 (BI2) von den Abgängen empfangenen Lichtsignale (L>) mit der internen Stromanregung, 
  • das Absetzen einer Auslösemeldung an den Einspeise-Leistungsschalter auf Auslösekontakt T1,
  • das Absetzen einer Auslösemeldung an alle Abgangsgeräte der Sammelschienenhälfte (Master-Trip – MT) auf Binärausgang HS02, 
  • das Absetzen des internen Stromanregesignals an alle Abgangsgeräte der Sammelschienenhälfte (I>) auf Binärausgang HS01, 
  • der Stromanregesignal-Austausch mit der zweiten Einspeisung (BI1 und BO1), 
  • das Absetzen einer direkten und Leistungsschalterversager- Auslösemeldung an den übergeordneten  Einspeise-Leistungsschalter (Trip+CBFP) auf Auslösekontakt T2, 
  • das Absetzen einer Auslösemeldung an den Kupplungs-Leistungsschalter auf Auslösekontakt T3.

Durch die einfache Binärkommunikation zwischen den Einspeisungen und ausreichend vorhandenen Auslösekontakten wird eine selektive Auslösung pro Sammelschienenhälfte möglich – selbst bei einseitiger Einspeisung und eingelegter Kupplung. Diese Anwendung ist auf dieselbe Weise auf Niederspannungsanlagen anwendbar. Und die Komponenten eignen sich, wie mehrfach bereits ausgeführt, für die Nachrüstung bestehender Anlagen.

ZUSAMMENFASSUNG

Die enormen Auswirkungen von Störlichtbögen in Schaltanlagen auf das Bedienpersonal und auf die Verfügbarkeit von Anlagen nach dem Fehler können durch Lichtbogenschutzsysteme deutlich reduziert werden. Das vorgestellte Lichtbogenschutzsystem erfasst Fehler in 1–2 ms bei gleichzeitiger Verknüpfung des Lichtsignals mit einem Stromsignal, womit Fehlauslösungen verhindert werden. Durch den Einsatz von schnellschaltenden Elementen kann die Fehlerdauer im Idealfall auf 10 ms reduziert werden. Anwendungen im Mittel- und Niederspannungsbereich können durch den einfachen und modularen Aufbau mit wenigen Gerätetypen realisiert werden. Die Nachrüstbarkeit in bestehenden Anlagen stellt einen weiteren Vorteil der beschriebenen Komponenten dar.  

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