Etappen der Innovation - von der magnetischen zur elektronischen Waage

Während sich in Deutschland und Ös­terreich als schnellschaltender Leitungs­schutz der Distanzschutz als Haupt­schutz im Hoch- und Höchstspannungs­netz, aber auch im Mittelspannungsnetz durchgesetzt hat, ist dagegen in Ländern wie England, den USA und Russland der Strom-, Phasen- und Signalvergleichs­schutz von Anfang an bis heute als Fern­leitungsschutz zu finden. Bei Transfor­matoren, Generatoren und Motoren gilt der Differentialschutz weltweit als Grundschutz. Durch regenerative Ein­speisungen und kurze Kabelverbin­dungen im Mittelspannungsnetz bzw. als Haupt- und/oder Reserveschutz im Hoch- und Höchstspannungsnetz ge­winnt der Leitungsdifferentialschutz an Bedeutung.

von Walter Schossig Datum 02.06.2017

Leitungsschutz

Wie im Papier-Magazin angekündigt, finden Sie hier den ungekürzter Artikel von Walter Schossig:

Leitungs-Differentialschutz

Während sich in Deutschland und Österreich als schnellschaltender Leitungsschutz der Distanzschutz als Hauptschutz  im Hoch- und Höchstspannungsnetz, aber auch im Mittelspannungsnetz durchgesetzt hat, ist dagegen in Ländern wie England, den USA und Russland der Strom-, Phasen- und Signalvergleichsschutz von Anfang an bis heute als Fernleitungsschutz zu finden. Bei Transformatoren, Generatoren und Motoren gilt der Differentialschutz weltweit als Grundschutz. Durch regenerative Einspeisungen und kurze Kabelverbindungen im Mittelspannungsnetz bzw. als Haupt- und/oder Reserveschutz im Hoch- und Höchstspannungsnetz gewinnt der Leitungsdifferentialschutz an Bedeutung.

Vorläufer des Differentzialschutzes

Wenn Ende des 19. Jahrhundert vom Differentialschutz gesprochen wurde, meinte man damit den Vergleich der Spannungen bzw. Ströme in den einzelnen Leitern. So wurden bereits 1896 Schaltungen vorgeschlagen, bei denen für ein Gleichstrom-Dreileiter-System die Spannungen des positiven und negativen Leiters gegen den Nullleiter verglichen werden (Abb. 1). Hierzu wurden Waagebalken-Relais mit zwei Spulen verwendet, die auf einen doppelarmigen Hebel als Waagebalken wirkten und diesen so lange imn Gleichgewicht hielten, wie die Spannungen an beiden Spulen gleich waren, DRP 92442.

Abb. 1 Erster Vergleichsschutz 

Differentialschutz als Selektivschutz

Als Erfinder des Differentialschutzes, der die Ströme auf beiden Seiten eines Anlagenteiles vergleicht, gelten die Engländer Charles Hestermann Merz und Bernhard Price . Am 16. Februar 1904 meldeten sie ein englisches Patent „Improvements in the Method of and Means for Protecting Apparatus on Alternating Current Systems” an, dem am 31. Mai 1904 ein gleichartiges deutsches Patent folgte. Mit der Herausgabe des brit.  Patentes 3896 und des DRP 166224 wird 1904 zum Geburtsjahr des Differentialschutzes. Auf beiden Seiten einer Leitung oder eines Transformators wurden Stromwandler installiert und deren Sekundärseiten gegeneinander geschaltet, sodass im Normalfall kein Strom fließen konnte (Abb. 2). Die Wandler waren über Hilfsleitungen zusammengeschaltet. Zum Schutz der Leitungen waren auf jeder Seite Relais montiert, die den zugehörigen Leistungsschalter auslösten. 

Abb. 2 Differentialschutz nach Merz-Price, 1904

Bei Transformatoren war nur ein Relais erforderlich, welches auf beide Seiten wirkte. Bei einem Fehler zwischen den beiden Wandlern flossen auf beiden Seiten nicht mehr die gleichen Ströme, sodass die Relais Spannung erhielten und auslösten. Die Schaltung hatte den Nachteil, dass die Wandler praktisch im Leerlauf - also offen – betrieben wurden, was zu hohen Spannungen im Wandlersekundärkreis führte. Man ging deshalb dazu über, die Brückenschaltung zu wählen (Abb. 3).

Abb. 3 Brückenschaltung

Diese heute noch übliche gleichsinnige Schaltung der Stromwandler und Relais in der Diagonalverbindung beim Differentialschutz wurde 1908 von Kuhlmann, AEG, eingeführt.

Im Sprachgebrauch wird der Differentialschutz auch Merz-Price-Schutz genannt, und im klassischen Land des Differentialschutzes, in England, auch als „Translay System“ bezeichnet.

Der Begriff „Differentialschutz“ bzw. „Differential Protection“ bzw. „Protection Différentielle“ ist sprachlich eigentlich unkorrekt. Es müsste vielmehr richtig „Differenzschutz“ lauten, da sowohl das Wirkprinzip des Relais als auch das damit realisierbare Schutzprinzip auf einer Differenzbildung zweier elektrischer bzw. daraus gebildeter magnetischer Größen beruhen und nicht auf deren Ableitung nach der Zeit im Sinne des mathematischen Begriffs des Differentials. [13]

Nach neuer deutscher Rechtschreibung ist heute Differenzialschutz der ebenfalls zulässigen Schreibung Differentialschutz vorzuziehen. Es dürfte noch einige Zeit vergehen, bis allumfassend der Begriff „Differenzialschutz“ eingeführt ist. Zumal international nach dem IEV „Differential“ gilt (s. Kasten). In der Praxis hat sich auch der Begriff „Diff.-Schutz“ eingebürgert.

Grenzen des Diff.-Schutzes

Karl Kuhlmann schreibt 1912: „Der springende Punkt des Merz-Price-Systems ist nun der, die Leitungen bei Fehlern an ihnen selbst möglichst frühzeitig und selbsttätig abzuschalten. Dagegen sollen selbst bei sehr großen, die ganze Leitung von Anfang bis Ende gleichmäßig durchfließenden Strombelastungen (Belastungsstößen) die geschützten Leitungen nicht selbsttätig, sondern höchstens von Hand abgeschaltet werden. Die Abschaltung von Hand würde, abgesehen von normalen Betriebsvorkommnissen, bei zulange anhaltenden Überströmen notwendig werden. Dies setzt eine Bedienung jeder Unterstation voraus. Um sie zu vermeiden, wird vielfach mit dem System doch noch ein ganz grober Überstromschutz eingerichtet.“ Durch die Begrenzung des Schutzbereiches auf die Wandlereinbauorte und den damit fehlenden Schutz der gespeisten Sammelschiene bzw. den fehlenden Reserveschutz für die anschließende Leitung, war der Einbau eines zusätzlichen Überstromzeitschutzes erforderlich. Ein Beispiel für den Schutz der für die Versorgung Londons wichtigen 275-kV-Doppelleitung Wimbledon - New Cross zeigt Abb. 4. Der Abgangsschutz besteht aus zwei Leitungsdifferentialschutz-Relais als Hauptschutz 1 und 2 sowie als Reserveschutz und einem Überstromzeitrelais als Reserve- und Sammelschienenschutz. [OFGEM] 

Abb.4 275-kV-Schutzkonzept (UK)

Bei heutigen digitalen Schutzeinrichtungen ist ein zusätzlicher Überstromzeit- bzw. Distanzschutz im Leitungsdifferentialschutzrelais integriert (Abb. 5).

Abb. 5 Leitungsdifferentialschutz mit integriertem oder separatem Distanzschutz 

Als Beispiel hierfür zeigt Abb. 6 den 1999 eingeführten Leitungsdifferentialschutz P54x MiCOM-Reihe, AREVA, mit Distanzschutz, abgeleitet vom Optimho-Sortiment, GEC.

Abb. 6 Leitungsdifferentialschutz P54, Blockschaltbild 

Die im Kreis angegebenen ANSI-Nummern geben Auskunft über die enthaltenen Schutzfunktionen, wie z. B. (87) Diff.-, (21) Distanzschutz und (79) AWE.

Falschstromproblem

Selbst bei Einsatz von Wandlern gleicher Bauart und Übersetzungsverhältnisse an den beiden Leitungsenden, kommt es – insbesondere auch bei unterschiedlicher Wandlerbebürdung –abhängig von der Größe des Kurzschlussstromes bei außenliegenden Fehlern zu unterschiedlichen Wandlerverhalten und damit zu unterschiedlichen Beträgen auf der Sekundärseite der Stromwandler. Das wiederum hat zur Folge, dass im Brückenzweig ein sogenannter Falschstrom fließt, der zur ungewollten Anregung des Diff.-Schutzes führt. 

Albert Erdward McColl schlägt 1917 in seinem Brit. Patent Nr. 104 571 einen sogenannten Prozentsatzschutz (percentage differential relay) vor, d. h. dass ein bestimmter Prozentsatz vom Durchgangsstrom einer Auslösung entgegenwirkt. Es ergibt sich die Forderung, dass der Ansprechwert ∆I‘an mit steigendem Durchgangsstrom I’D zunimmt. Für dieses messende Relais hat sich der Begriff „prozent- oder falschstromstabilisierendes Differentialrelais“ durchgesetzt.

Eine Falschstromstabilisierung nach dem Prinzip des elektromagnetischen Vergleichs, der „magnetischen Waage“, zeigt Abb. 7. [13]

Abb. 7 Falschstromstabilisierung mit magnetischer Waage [13]

a) Aufbau

1 Erregerpulen
2 Drehanker
3 Rückstellfeder
4 Kontakt

b) Ansprechkennlinien mit den Grenzkurven 1 und 2

Das Messsystem „magnetische Waage“ vergleicht die Drehmomente MA und MH auf der Auslöseseite (A) und der Halteseite (H) miteinander, unter Einbeziehung des durch die Rückstellfeder hervorgerufenen Moments MFA in der Ausgangsstellung des Relais und des Reibungsmoments MR. Die Ansprechkennlinie IA an = f (IH) ist in b) dargestellt. Von ihr wird die eingangs formulierte Forderung nach steigendem Ansprechstrom  ∆I’an mit zunehmender Haltekomponente I’D erfüllt.

Dabei kann der Kurvenverlauf durch eine Einstellung am Relais variiert werden:

  • Änderung des Ansprechwertes IA an bei IH = 0 durch Variation der Federvorspannung und damit des Moments MFA
  • Veränderung des Anstiegswinkels α im Proportionalbereich durch Änderung der Windungszahl der Haltespule, die mit Anzapfung und Umschaltlaschen ausgestattet ist.

AEG stellt 1931 hierzu das neue Diff.-Relais QS1 mit zwei vollkommen gleichen Magnetsystemen vor, deren Drehanker auf einer gemeinsamen Welle sitzen und einander entgegenarbeiten (Abb. 8 und Abb. 9). Im oberen System a, dem Auslösesystem. fließt der Fehlerstrom bzw. Falschstrom, während das untere System b, das Haltesystem, dauernd vom Betriebsstrom durchflossen wird. Bei einem Fehler in der Schutzzone überwiegt durch entsprechende Bemessung der Wicklungen das Auslösesystem, und der Auslösekontakt f wird geschlossen. [1598]

Abb. 8 Diff.-Relais QS1, AEG

Abb. 9 QS1, Innenschaltung und mechanischer Aufbau

Mit der Einführung der Gleichrichter- und Drehspultechnik Anfang der 50er-Jahre wird die Stromdifferenzbildung mittels elektrischem Vergleich – „elektrische Waage“ – vorgenommen.

Abb. 10 Falschstromstabilisierung mit elektrischer Waage [13]

a) Aufbau

b) Ansprechkennlinien

1 ohne Zenerdiode

2 und 3 mit Zenerdiode, Einstellbereich

Die Schaltung besteht aus zwei Graetz-Schaltungen. Die pulsierenden Gleichströme mit dem arithmetischen Mittelwerten k1∆I‘ bzw. k2I’D fließen in entgegengesetzter Richtung durch ein empfindliches polarisiertes Relais (später Drehspulrelais). Die beiden Übertrager dienen der Anpassung der Vergleichsschaltung an die Wandlersekundärströme, die Zenerdiode D1 zur Erzielung einer nichtlinearen Ansprechkennlinie. Die elektrische Waage (auch Gleichrichter-Brückenschaltung genannt) vergleicht durch die integrierende Wirkung des Relais im Brückenzweig die Effektivwerte der Wechselströme IA auf der Auslöseseite (A) und IH auf der Halteseite unter Berücksichtigung des Relaisansprechstromes Ian miteinander. Die Zenerdiode bewirkt, dass der Haltestrom IH erst bei Überschreitung eines Wertes IH1 im Gleichstromkreis zur Wirkung kommt, wodurch die Kennlinie 2 entsteht.  

Der Kurvenverlauf kann durch folgende Einstellungen am Relais variiert werden:

  • Parallelverschiebung zwischen Kennlinie 2 und 3 durch Reihenschaltung eines Widerstandes im Brückenzweig
  • Veränderung des Anstiegswinkels α durch Parallelschaltung eines veränderbaren Widerstandes im Haltesystem

Beim Leitungsdifferentialschutz ist an den örtlich entfernten Vergleichspunkten ein Leistungsschalter, der im Fehlerfall betätigt werden muss. Entweder müssen beide Leistungsschalter durch eine besondere Leitung gekuppelt werden, und da das Relais nur an einem Leitungsende eingebaut ist, zu großen Unterschieden in den Messleitungswiderständen führt oder an jedem Leitungsende muss ein Differentialrelais installiert werden.

Abb. 11 zeigt das Grundprinzip des Leitungsdifferentialschutzes. 

Abb. 11 Prinzip Leitungsdifferentialschutz [166]

Zwischenwandler

Die Schwierigkeiten beim Längsdifferentialschutz liegen in der oft weiten Entfernung zwischen den beiden Vergleichspunkten. Trotz erheblichen Aufwandes an Leitungskupfer kommt es zu einer unzulässigen Belastungsbürde der Stromwandler. Des Weiteren gehen die ursprünglich üblichen 5 A als Wandler-Sekundärnennstrom quadratisch ein (S =I2R). Aus diesem Grunde wurde der Spannungsdifferentialschutz entwickelt, bei dem nicht die Ströme unmittelbar, sondern die an Nebenwiderständen abgegriffenen Spannungen miteinander verglichen werden (Abb. 12 und Abb. 13). Zur Herabsetzung der Ströme in den Nebenwiderständen sind 5/1-A-Zwischenwandler vorgesehen. An beiden Enden der zu schützenden Leitung befindet sich je ein Spannungsdifferentialrelais (z. B. RQU2, EAW) mit den zugehörigen Stromwandlern. Im Sekundärkreis der Zwischenwandler liegen je ein Nebenwiderstand von 30 Ω und eine Haltewicklung des Differentialrelais parallel. Die zum gleichen Leiter der zu schützenden Leitung gehörenden Nebenwiderstände an beiden Enden sind über dünne Hilfsleitungen so verbunden, dass die an ihnen abgegriffenen Spannungen im störungsfreien Betrieb entgegengesetzt gerichtet sind. Mit den Hilfsleitungen in Reihe liegen die entsprechenden Auslösewicklungen der Differentialrelais. Bei Kurzschlüssen innerhalb des Schutzbereiches haben die Spannungsabläufe an den Nebenwiderständen beider Enden gleiche Richtung und bewirken einen Strom über die Hilfsleitungen durch die Auslösewicklung der Relais, sodass diese ansprechen. Die Wirkung der Haltewicklung ist ähnlich der beim Stromdifferentialschutz.

Abb. 12 Prinzip Spannungsdiff. bei außenliegendem Fehler bzw. Betriebslast

Abb. 13 Prinzip Spannungsdiff. bei innenliegendem Fehler

Durch Einfügen von sogenannten Mischwandlern, die die drei Leiterströme zu einem Mischstrom zusammenfassen, kann man außerdem erreichen, dass die Zahl der Hilfsadern vermindert wird. Die Leiterströme werden in diesem Fall zu einem einpoligen Ersatz-Wechselstrom (Mischstrom) kombiniert. Eine Lösung mit Anschluss von L1-L3-E zeigt Abb. 14. Durch geeignete geometrische Addition und Windungszahlen wird erreicht, dass sich bei allen möglichen Fehlerfällen genügend Mischstrom IM ergibt.

Abb. 14 Mischstromwandler [166]

Der Nachteil hierbei ist, dass je nach Fehlerart eine unterschiedliche Ansprechempfindlichkeit auftritt:

Des Weiteren ist eine Leiterbevorzugung bei Doppelerdschluss nicht immer gegeben.

Vergleicht man jedoch die symmetrischen Stromkomponenten am Leitungsanfang und -ende nach Abb. 15 miteinander, so werden alle Außenleiter gleichbehandelt. Die Messwerte werden über Abtasthalteglieder den AD-Wandlern zugeführt, deren Ausgänge mit Mikrorechnern verbunden sind, welche die Mitkomponente nach bestimmten Algorithmen berechnen. [5558]

Abb. 15 Einsatz von Mikrorechnern beim Leitungsdifferentialschutz [5558]

Inzwischen fertigen alle namhaften Relaishersteller des In- und Auslandes digitale Leitungsdifferentialschutzeinrichtungen mit integrierten Zusatzschutzeinrichtungen und -funktionen.  

Ein typisches Sortiment des Leitungsdifferentialschutzes ist in Abb. 16 zusammengestellt, und Abb. 17 zeigt Beispiele für neueste Entwicklungen.

Abb. 16 Typisches Sortiment Leitungsdifferentialschutz

Abb. 17 Digitaler Leitungsdifferentialschutz

Vorteile des Leitungsdifferentialschutzes

100 % der Leitung werden in Schnellzeit erfasst. Bei allen Vergleichsschutzarten können im Gegensatz zum Impedanz-(Distanz-)Schutz die Längen der Leitung beliebig kurz sein.

Parallelkabel, ja sogar Dreibeine bzw. Mehrendenleitungen stellen – sieht man von der erforderlichen Wirkverbindung (Steuer- oder Fernmelde bzw. LWL) ab – kein Problem dar. Sie sichern eine schnelle Abschaltung bei Fehlern im gesamten Schutzbereich. 

Die technischen Daten, wie Länge, Querschnitt und Material, werden für die Einstellung des Leitungsdifferentialschutzes lediglich für die Berechnung des Ladestromes der zu schützenden Leitung benötigt. Um ein Fehlansprechen bei der Einschaltung zu vermeiden, kann als Einstellregel Id  ≈ 3IC der Leitung angenommen werden.

Es werden hohe Ansprechempfindlichkeiten bis etwa 0,3 In eingestellt. Dies kann bei geringen Kurzschlussströmen und bei Zwischensystemfehlern, z. B. 380- und 110-kV-Leitungen auf einem Gestänge, erforderlich sein. Bei Netzpendelungen oder Kurzschlusswechseln sind sie selektiv.

Beim digitalen Leitungsdifferentialschutz mit LWL ist die Sternpunktbehandlung des Stromnetzes ohne Belang, da der Stromvergleich pro Phase erfolgt und damit unterschiedliche Gewichtungen für verschiedene Fehler – wie sie bei den traditionellen Mischwandler-Differentialschutzverfahren auftraten – passé sind. Der digitale Leitungsdiff. ermöglicht eine leiterselektive Fehlererfassung und somit eine einpolige AWE.

Prüfung

Mit der früher üblichen und heute noch im Einsatz befindlichen einpoligen Relaisprüfeinrichtung mit jeweils einem regelbaren Strom- und Spannungsausgang kann als Sekundärprüfung beim Leitungsdiff. der Relaisansprechwert bei Haltestrom 0 und die Wirkung der Falschstromstabilisierung ermittelt werden. Zur Prüfung der gesamten Schaltung wird am Leitungsende außerhalb des Diff.-Bereiches ein dreipoliger Kurzschluss eingebaut und am Leitungsanfang primärseitig mit einem Sparregeltrafo 0…250 V eingespeist. Eine allumfassende Prüfung sichert ein End-to-End-Test, in dem an jedem Ende der Leitung mit einem Sekundärprüfgerät Fehlerströme eingespeist werden – mehr dazu in unserem Artikel „Qualitätssprung durch systembasierte End-to-End-Prüfung“.

Im Internationalen Elektrotechnischen Wörterbuch der IEC – International Electrotechnical Vocabulary (IEV), IEC 60050, ist definiert:

448-14-16 Längsdifferentialschutz – longitudinal differential protection (EN), line differential protection (USA): „Selektivschutz, dessen Funktion und Selektivität vom Vergleich des Betrags und/oder dem Phasenwinkel des Stroms an den Enden des geschützten Abschnitts abhängig ist“.

Literatur

[13] Clemens, H.; Rothe, K.: Schutztechnik in Elektroenergiesystemen. 3. Auflage 1991, Berlin: VDE-Verlag

[1598] Stark, G.: Neues Differentialrelais. AEG-Mitteilungen (1931)3, 148-152

[470] Schweder, B.: Forschen und Schaffen. Beiträge der AEG zur Entwicklung der Elektrotechnik bis zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Band 1, 472 S.; Band 2, 472 S. u. Band 3, 520 S., Hrsg. AEG, Berlin 1965 

[OFGEM] OFGEM Report on Support Investigations in London and West Midlands. Supplementary Report Protection Commissioning Performance, Volume 2, February 2004

[166] Ziegler, G.: Digitaler Differentialschutz. Grundlagen und Anwendung. SIEMENS, Publicis Corporate Publishing, Nürnberg 2004

[5558] Hosemann, G.; Lobos, T.: Möglichkeiten für einen digitalen Leitungsdifferentialschutz mit symmetrischen Komponenten. EZT-Archiv 8(1986)12,411-413]

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