PRÜF­METHODEN EINES SIGNAL­VERGLEICHS

Damit Signalvergleichsverfahren tatsächlich sicher ablaufen, braucht es eine unmissverständliche Auslegung der Signale, die keinen Spielraum für Interpretationen offen lässt. Eine komplexe Herausforderung für den Prüffall, bei dem konventionelle Methoden oft nicht mehr ausreichen.

von Christopher Pritchard Datum 18.09.2017

Leitungsschutz

Um beim Distanzschutz eine Auslösung in Schnellzeit auf 100 % der Leitung und bei gleichbleibender Sicherheit zu garantieren, kommt nicht selten kommunikationsbasierte Logik zum Einsatz. Von den im deutschsprachigen Raum üblichen Mitnahme- und Freigabeverfahren bis hin zu Sperrverfahren hat sich eine Vielzahl von Varianten entwickelt, welche, je nach Nutzung, ihre Berechtigung haben. Vorder Inbetriebnahme eines Distanzschutzes mit Kommunikation ist es unbedingt erforderlich, das eingesetzte Verfahren im Detail zu kennen, zu verstehen und entsprechend zu prüfen. Die Zusammenhänge sollen hier wegen der gebotenen Kürze am Beispiel Distanzschutz mit Signalvergleich, inklusive der zugehörigen Prüfung, beschrieben werden [1]. Der Signalvergleich ist in der Praxis die Schutzmethode speziell bei schwachen Einspeisungen, kurzen Leitungen, Dreibeinen und starken Zwischeneinspeisungen. Daher ist das Prüfen dieser Funktion bei unterschiedlichen Netzzuständen besonders spannend und wichtig.

FUNKTIONSWEISE DES SIGNALVERGLEICHS

Beim Signalvergleich wird durch Empfang eines Freigabesignals eine übergreifende Distanzzone Z1B freigegeben. Bei einem Fehler auf einer zweiseitig gespeisten Leitung erkennen beide Schutzrelais den Fehler in Vorwärtsrichtung und senden sich gegenseitig eine Freigabe. Im Fall von sehr kurzen Leitungen, bei denen der eigentliche Zone-1-Wert den möglichen Minimalwert des Schutzrelais unterschreitet, ist eine Freigabe zwingend für die Auslösung. Ansonsten kann das „Aus“ von der Zone 1 auch ohne Freigabe gesendet werden (Abb. 1).

Abb. 1 Distanzschutz mit Signalvergleich

Schwache Einspeisung und Echofunktion
Eine Besonderheit des Signalvergleichs ist die Möglichkeit, selbst bei schwacher Einspeisung einen 100%-Schutz in Schnellzeit zu erreichen. Tritt ein Fehler nahe der schwachen Einspeisung auf, kann der Fehlerstrom unterhalb der Anregung des Distanzschutzes liegen. Ohne spezielle Logik würde das Schutzrelais am Ende der schwachen Einspeisung keine Freigabe senden und das entfernte Schutzrelais erst in Zone-2-Zeit auslösen. Eine spezielle Logik im jeweiligen Schutzrelais erkennt eine schwache Einspeisung anhand der bei einem Fehler auftretenden Unterspannung oder durch die ausbleibende Anregung der rückwärtigen Zone bei gleichzeitigem Empfang einer Freigabe. In diesem Fall wird der lokale Leistungsschalter(LS) ausgelöst und das Freigabesignal des entfernten Endes mit starker Einspeisung wie ein Echo zurückgeschickt.
Ein ähnlicher Zustand ergibt sich, wenn das Schutzrelais eine Freigabe empfängt, während der lokale LS bereits geöffnet ist. In diesem Fall muss sich der Fehler auf der Leitung befinden. Das lokale Relais schickt ein Freigabeecho bei der Stellungsmeldung „LS offen“ zurück und das entfernte Schutzrelais kann in Schnellzeit reagieren.

Stromumkehrüberwachung 

Aufgrund der übergreifenden Freigabelogik müssen beim Einsatz auf Parallelleitungen besondere Vorkehrungen zur Stabilisierung getroffen werden. Dies wird deutlich bei der Betrachtung der genauen zeitlichen Abfolge der Ereignisse während eines Nahfehlers auf einer Parallelleitung (Abb. 2).

Abb. 2 Stromfluss bei Fehlereintritt

Relais B1 erkennt den Fehler in der Übergreifzone und sendet das Freigabesignal. Schutzrelais A1 erfasst den Fehler jedoch in Rückwärtsrichtung, was die Auslösung in Schnellzeit verhindert. Zur gleichen Zeit erkennen auch die Schutzgeräte A2 und B2 der fehlerbehafteten Parallelleitung den Fehler und lösen beide in Schnellzeit aus. Wir nehmen jetzt an, dass aufgrund zeitlicher Toleranzen Leistungsschalter A2 kurz vor LS B2 öffnet, was zu einer Stromrichtungsumkehr für die Relais A1 und B1 führt (Abb. 3).

Abb. 3 Stromrichtungsumkehr nach Leistungsschalter Aus

Relais A1 erkennt den Fehler nun vorwärts ins einer Übergreifzone. Gleichzeitig erkennt Relais B1 den Fehler aber in Rückwärtsrichtung und nimmt damit seine Freigabe zurück. Dabei passiert es häufig, dass Relais A1 die Richtungsumkehr etwas früher erkennt als den Wegfall der Freigabe durch B1. In Abb. 4 ist dieser Zeitraum rot markiert. Nach der Signalvergleichslogik müsste Relais A1 jetzt sofort auslösen. Diese unselektive Auslösung wird durch eine sogenannte Stromumkehrüberwachung verhindert. Sie blockiert den Signalvergleich für eine definierte Zeit nach dem Erkennen einer Stromrichtungsumkehr.

Abb. 4 Signalverlauf bei Stromumkehrüberwachung

PRÜFUNG

Es bestehen vielfältige Prüfmethoden zur Inbetriebnahme eines Signalvergleichs, die sich jedoch in der Prüftiefe unterscheiden (Tab. 1).

Bei der Erstellung des Prüffalls empfiehlt es sich, unabhängig von der Prüfmethode immer das reale Fehlerszenario so realistisch wie möglich nachzuahmen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Simulation der LS-Hilfskontakte. Zur Bewertung sollten, wenn möglich, auch die Anregungen der einzelnen Elemente in der Logik mitprotokolliert werden.

Tab. 1 Übersicht Prüfkriterien bei Signalvergleich

Einseitige Prüfung
Da es sich bei dem Freigabesignal um eine binäre Information handelt, welche sich leicht von einer Prüfeinheit simulieren lässt, ist die einseitige Prüfung eines Relais die am häufigsten durchgeführte Methode. Für die Hauptfunktion wird ein Vorfehler ausgegeben, gefolgt von einem Fehler in Z1B bei gleichzeitiger Simulation des Empfangssignals. Bewertet werden die Auslösung in Schnellzeit und das Senden der Freigabe an das entfernte Schutzrelais. Gute Prüflösungen bieten die Möglichkeit, den Fehlerzustand in der Impedanzebene zu definieren, inklusive Darstellung der Distanzschutzpolygone und Toleranzen. Damit lässt sich die oben genannte Prüfsequenz relativ einfach erstellen. Dies ermöglicht das gleichzeitige Verifizieren der Reichweite der Übergreifzone und der Logikschaltung.

Systembasierte Prüfung
Folgende wichtige Einflussfaktoren auf dies pätere Funktion des Schutzsystems werden bei einseitiger Prüfung jedoch vernachlässigt:

  • Kommunikationsverzögerung (Timing)
  • Abstimmung der Relaiseinstellwerte aufeinander
  • reale Einspeiseverhältnisse

Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob das Schutzsystem, bestehend aus zwei oder mehreren Relais, deren Einstellwerten und der Kommunikation, das Netz schützt, empfiehlt sich eine systembasierte Prüfung. Eine ideale systembasierte Prüfung erfolgt zeitsynchron an allen Enden (End-to-End). Die Signale werden dabei mit Hilfe einer Simulation des zu schützenden Netzabschnitts berechnet. Jedes Fehlerszenario lässt sich direkt durch Fehler- und LS-Ereignisse umsetzen. Auf diese Weise ermöglicht die Netzsimulation das Prüfen des Schutzsystems unter realen Einspeiseverhältnissen. So lässt sich z. B. prüfen, ob der Schwellwert der „schwachen Einspeisung“ korrekt gewählt wurde. Diese zusätzliche Prüfqualität wäre auch gegeben, wenn die Schutzprüfung einseitig mit Netzsimulation erfolgt. Durch das gleichzeitige Prüfen von beiden Enden aus werden jedoch zusätzlich die Funktion der Kommunikation, der Einfluss der Verzögerung sowie die Abstimmung zwischen den Schutzrelais berücksichtigt. Zur Durchführung einer solchen systembasierten Prüfung gibt es bereits Software-Lösungen, welche eine transiente Netzsimulation mit der gleichzeitigen Ansteuerung selbst verteilter Prüfgeräte kombinieren. Dies reduziert den Zeitaufwand sowohl bei der Erstellung als auch bei der Durchführung deutlich. Zudem können solche Prüflösungen zeitlich versetzte Aus-Kommandos der Schutzrelais in die Simulation einbeziehen, was Abstimmungsfehler aufdeckt, aber auch Logikfunktionen wie die AWE mitprüft.

ZUSAMMENFASSUNG

Die Inbetriebnahme eines Signalvergleichs verlangt oft mehr als nur die Prüfung der Schnellzeitauf 100 % der Leitung. Einseitige Prüfungen mit stationären Sequenzen sind einfache und bewährte Prüfmethoden. Die Komplexität bei der Auslegung des Signalvergleichs ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Eine systembasierte Prüfung bietet hier eine einfache Möglichkeit, Fehler auch komplexer Natur aufzuspüren.

Quellen

1 G. Ziegler, Digitaler Distanzschutz, Verlag Siemens, 2. Auflage, 2008

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