EINDEUTIGE FEHLERORTUNG TROTZ STÄNDIG WACHSENDER VERKABELUNG

Durch Verkabeln steigt die Netzkapazität enorm. Doch zugleich sinkt durch die Minimierung der Verlagerungsspannung und die Symmetrierung der Leiter-Erd-Kapazität die Möglichkeit der sauberen Spulenregelung. Effiziente und geräteschonende Abhilfe schafft HPCI, das Konzept der gezielten Stromeinspeisung insbesondere für kompensierte Mittelspannungsnetze. In einer neuen Version ist es für alle Netzgrößen adaptierbar und wartet mit Extras wie der schnellen Pulsortung auf.

von Gerd Kaufmann Datum 13.12.2017

Erdschlussschutz

Schwerpunkt dieser Anwendung ist das kompensiert betriebene 20-kV-Mittelspannungsnetz. Dabei wird auf die Art der Regelung der Petersen-Spule und auf das Konzept der Fehlerortung im Erdschlussfall eingegangen. Von Seiten der TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG (ein Unternehmen der TEAG Thüringer Energie AG) stand uns Herr Dr. Thomas Töppler zur Seite. Bekanntlich wird für Netze mit Resonanzsternpunkterdung eine Kompensationsspule benötigt.

PETERSEN-SPULE UND DIE TÜCKEN BEI DER REGELUNG

Die Aufgabe der Netzführung ist es, die verwendete Petersen-Spule richtig auf die Leiter-Erd-Kapazitäten im Netz einzustellen. Ziel ist ein kleiner Reststrom an einer möglichen Fehlerstelle. Außerdem soll das Netz im Fehlerfall weiter betrieben werden, bis die Fehlerstelle eingegrenzt ist. Die Regelung der Spule kann manuell erfolgen oder automatisch mit Hilfe von Kompensationsreglern. Die Herausforderung hierbei stellt die Netzentwicklung in Richtung erhöhten Kabelanteil dar. Mit zunehmender Verkabelung der Netze erfolgte auf natürliche Weise eine Symmetrierung der Leiter-Erd-Kapazitäten und Erhöhung. [2] Vor der Herausforderung der sauberen Abstimmung der Petersen-Spule stehen zunehmend auch die TEN. In einigen Netzgebieten ist die resultierende Verlagerungsspannung so klein, dass

  • über das klassische Verstellen der Spulenposition kaum noch ein sauberes Abstimmen der Spule möglich ist;
  • die Störung auf der Messgröße der Verlagerungsspannung so groß ist und zu häufig eine neue Suche  gestartet wird. Das sorgt für eine zu schnelle Alterung des Motorantriebes der Petersen-Spule.

Die Suche nach einem neuen Resonanzpunkt nach einer Netzumschaltung wird durch eine Änderung der Verlagerungsspannung getriggert. Ein typischer Wert sind 20 % Änderung des Momentanwertes der Verlagerungsspannung. Bei unruhiger Verlagerungsspannung sind Änderungen von 100 % bis 400 % keine Seltenheit. D. h., es wird eine Suche ausgelöst, die nicht notwendig wäre (Abb. 2). Um in solchen Situationen noch regeln zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die TEN haben sich für das Konzept der Stromeinspeisung entschieden.

DIE STROMEINSPEISUNG UND DIE HPCI

Die sogenannte Stromeinspeisung ist eine Unterstützung für den Petersen-Spulen-Regler REG-DP. Das Besondere ist, dass die Resonanzkurve durch Einspeisen eines Stromsignals (typisch an der Leistungshilfswicklung der Petersen-Spule) berechnet wird. Ein Verstellen der Spule und damit ein Arbeiten des Motorantriebes sind nicht mehr nötig. Die Frequenzen beim Einspeisen werden so gewählt, dass eine Änderung des 50-Hz-Messwertes keinen Einfluss auf das Rechenergebnis hat. Seit über zehn Jahren wird hierfür das Zwei-Frequenz-Verfahren verwendet. [1] Die Stromeinspeisung kann im Bedarfsfall an jeden REG-DP bzw. REG-DPA nachgerüstet werden. Mit der neuen Version der Stromeinspeisung ist nun auch eine automatische Anpassung des eingespeisten Stromes an die Netzgröße möglich. Die Standardversion kommt dabei in Netzgrößen von 20 A bis 800 A kapazitivem Strom zum Einsatz. Seit Kurzem sind auch Ausführungen der Stromeinspeisung für 50-kV- bzw. sogar 110-kV-Netze verfügbar.

Abb. 1 Konzeptübersicht: REG-DP, HPCI, EOR-D, EOR-3D und EOR-1D

DIE HPCI

High Power Current Injection. Mit der Stromeinspeisung stellte sich die Frage, was ein weiterer Anwendungsfall sein könnte. Die Thüringer Energienetze setzen in einigen Umspannwerken die sogenannte Pulsortung ein. Das Pulssignal kann von der Spule bis zur Fehlerstelle verfolgt werden (Abb. 2). Bisher war dafür ein Taktschrank mit Kondensatoren notwendig. Die HPCI kombiniert beide Schaltschränke und Funktionen. Im gesunden Netzzustand wird die Stromeinspeisefunktion zum sauberen Regeln verwendet. Im Fehlerfall wird mit erhöhter Leistung getaktet. Die Energie wird dabei über die Leistungshilfswicklung aus dem Netz bezogen. Taktleistungen bis 90 kVAr sind verfügbar. Die Kombination aus Stromeinspeisung und Taktschrank spart Platz und natürlich auch Geld. Im Erdschlussfall können das klassische Pulssignal und ein deutlich schnelleres Pulssignal gleichzeitig erzeugt werden. Das hat den Vorteil, dass herkömmliche ulsanzeiger und Anzeiger mit der schnellen Pulsortung gleichermaßen unterstützt und betrieben werden können.

Abb. 2 Verlauf der Verlagerungsspannung über 24 Stunden

Abb. 3 Störschrieb der Leiter-Erd-Spannungen bei wiederzündendem Fehler aus EOR-3D

ERDSCHLUSSORTUNG

Die TEN betreiben ihre Netze in offenen Ring- oder Stichleitungen. Es sind sehr häufig Mischnetze aus Freileitungen und Kabeln. Zur Erdschlussortung kommen hauptsächlich das Wischerverfahren und vereinzelt die Pulsortung zum Einsatz. In den Geräten EOR-D und EOR- 3D ist das sehr zuverlässige qu2-Verfahren zur Wischererkennung integriert. [2] Zur gerichteten Erkennung wiederzündender Fehler kommt das sogenannte qui-Verfahren zum Einsatz. [3] Beide Verfahren geben sofort bei Erdschlusseintritt eine gerichtete Information. Soll die Fehlerstelle noch weiter eingegrenzt werden, kommt zur Nachortung die Pulsortung zum Einsatz. Auf Ringleitungen können gezielt Trennstellen verlagert werden, um den Fehler einzugrenzen. Auf Stichleitungen wird die Anzahl der installierten Geräte entsprechend der gewünschten Auflösung erhöht. Vorteil der Pulsortung ist es, dass nur der Strom zur Ortung ausgewertet wird. Das reduziert den Installationsaufwand. Die Anforderungen an die Messgenauigkeit sind wesentlich geringer als beim wattmetrischen Verfahren. Das spart Kosten bei der Auslegung der Messwandler. Im Umspannwerk werden EOR-D und EOR-3D in der Hutschienenversion eingesetzt. In Schwerpunktstationen können EOR-3D in der Einbauversion verwendet werden. Soll die Auflösung der Erdschluss- und Kurzschlussortung noch weiter erhöht werden, kommen kombinierte Erd- und Kurzschlussanzeiger EOR-1D zum Einsatz.
Im EOR-1D wurde für die Pulserkennung ein neuer Algorithmus implementiert. Gerade am Ende einer Leitung oder bei kurzen Leitungsabschnitten konnte es bisher zur Unteranregung kommen. Besonders, wenn der Wirkanteil im Fehlerstrom gleich bzw. sogar höher als der verbleibende kapazitive Teil des Fehlerstromes ist.
Im EOR-1D entfällt der Kabelumbauwandler. Durch Auswertung des Phasenstromes (Betrag und Phase) entfällt auch die Bedingung der Überkompensation für die Petersen-Spule. 

Abb. 4 Weg des Pulssignals von HPCI bis zur Fehlerstelle

DIE SCHNELLE PULSORTUNG

Zur Erhöhung der Empfindlichkeit (hoher Fehlerwiderstand) kann im EOR-3D die schnelle Pulsortung aktiviert werden. Das Signal wird von der HPCI erzeugt.
In Abb. 5 ist die Verlagerungsspannung U0 und der Nullstrom 3I0 im fehlerhaften Abgang gezeigt. Es ist sichtbar, dass auch U0 (orange) pulst. Mit zunehmendem Fehlerwiderstand reduziert sich der Puls im Nullstrom. Allerdings erhöht sich der Pulshub in der Verlagerungsspannung. Die Spannung pulst dabei im fehlerhaften Abgang immer antiproportional zum Strom. Im Abgang ohne Fehler pulsen beide Größen proportional zueinander. D. h., berechnet man aus 3I0 und U0 den Admittanzwert, so gibt es einen klaren Unterschied. Y0 im fehlerhaften Abgang taktet in der Frequenz des Pulssignals. Y0 im gesunden Abgang ist ein konstanter Wert. Im Vergleich zur klassischen Admittanzmethode ist die Anforderung an die Messgenauigkeit wesentlich geringer. Es können Phasenstromwandler zur Strommessung und kapazitive Spannungsanzeiger zur Spannungsmessung verwendet werden.

Bedenkt man, dass für Wischerverfahren ebenfalls geringe Anforderungen an die Messgenauigkeit nötig sind, lassen sich diese beiden Methoden sehr gut kombinieren. Die Kombination aus Wischererfassung und Pulsortung zur Nachortung wird bei den TEN verwendet.

Abb. 5 Schnelles Pulssignal innerhalb 1 Sekunde, Orange = U0, Grau = 3I0

ZUSAMMENFASSUNG

Den Herausforderungen im kompensierten Netz von heute begegnen die TEN mit gezieltem Einsatz neuer Technik. Das Regeln der Petersen-Spule mit Hilfe der Stromeinspeisung führt zur massiven Reduzierung von unnötigen Suchauslösungen. Der Motorantrieb der Petersen-Spule wird geschont. Das spart erheblich Wartungskosten. Die Stromeinspeisung wurde in ihrer Funktion um das Pulssignal für den Erdschlussfall erweitert. Das reduziert den Platzbedarf im Umspannwerk, die Hardwarekosten und den Installationsaufwand. Für die Erdschlussortung kommen Verfahren zum Einsatz, die sehr robust sind und sehr geringe Anforderungen an die Messgenauigkeit stellen. Das verringert die Zeit der Fehlersuche und die  Kosten für die benötigten Spannungs- und Stromwandler. Es kommen auch Kleinsignalwandler/Sensoren zum Einsatz.

Quellen

1 G. Druml, New Method to Control Petersen Coils By Injection Of Two Frequencies. In: CIRED 18th International Conference, Turin 2005

2 G. Kaufmann; T. Maisel, Sensitive ground fault detection in compensated systems (ASC) what is influencing the sensitivity. In: SEAPAC2017DOC_104_ Kaufmann, Melbourne 2017

3 G. Druml, Infobrief Nr. 18: Wischerrelais für hochohmige, intermittierende und wiederzündende Erdschlüsse (Teil 2), A. Eberle GmbH & Co. KG, 12.04.2013, www.a-eberle.de/sites/default/files/media/info_ 19.pdf

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